Photohaven stellt vor: Thomas Ruff

 

In dieser Reihe stellen wir berühmte FotografInnen vor. Der Zweck dieser Veranstaltung ist, über die Auseinandersetzung mit dem Werk Anderer zu verstehen, wie Entdeckungen in der Fotografie zustande kamen, Entwicklungen nachzuspüren – um der eigenen Arbeit neue Impulse zu verleihen. Ein zeitgenössischer Leitspruch ist “thinking outside the box“, und damit wir auch über FotografInnen schreiben, die wir nicht auf dem Schirm haben oder definitiv nicht als Einfluss nennen würden, haben wir ein Kartenspiel zu Hilfe genommen. Es heißt “Fotografenraten“ (Fotografinnen sind aber auch Teil des Spiels, verlegt ist das Spiel bei “kwerfeldein“), wir ziehen verdeckt eine Karte und beschreiben dann die FotografIn. Alex macht den Anfang – mit

 

Thomas Ruff

 

Uff! Ein kurzes Essay über Thomas Ruff ist gar nicht so schnell geschrieben. Der Werdegang ist schnell skizziert: Von 1977 – 1985 hat er an der Kunstakademie Düsseldorf (“Düsseldorfer Fotoschule“) in der Klasse von Bernd und Hilla Becher studiert. Seine KommilitonInnen – heute das Who is who der künstlerischen Fotografie: Thomas Struth, Candida Höfer, Axel Hütte, Andreas Gursky und andere, auf die wir in folgenden Texten dieser Reihe eingehen werden. Thomas Ruff sieht als Einflüsse Fotografen wie Walker Evans, Eugene Atget, Karl Blossfeldt, Stephen Shore und William Egglestone, was im Bezug auf sein Werk durchaus erwähnenswert ist.

 

Ruff fotografierte in der Tradition der Düsseldorfer Fotoschule zunächst Architektur nach der Becherschen Lehre, dann Details in den eigenen vier Wänden und denen von Freunden und Bekannten. Interessanterweise dehnte er den Umfang aus auf die Außenansichten der Immobilien, begann schon an diesem Punkt, die Fotografien erkennbar zu retuschieren.

 

Dieses Merkmal wurde stetig herausgearbeitet und raffinierter umgesetzt: Er begann, Portraits zu fotografieren – vor neutralem Hintergrund und mit völlig neutralen Gesichtsausdrücken der Portraitierten, hunderte. Und auf diese Weise wird das Medium Teil des Bildes an sich: die monotone Art konfrontiert auf subtile Weise Betrachtende damit, dass es nur abgelichtete Oberflächen sind, die gar nicht versuchen, über eine Stimmung oder sonstiges zu informieren. Und darum geht es seitdem bei Thomas Ruff: Die Auseinandersetzung, ob Fotografie “Wahrhaftigkeit“ ablichtet. An dieser Stelle hat Ruff es sogar noch intensiviert: mit einer Minolta Montage Unit, einem Apparat, der in den siebziger Jahren von der Polizei zur Erstellung von Fahndungsfotos benutzt wurde, hat er Portraits verschiedener Personen vermischt montiert, was einerseits einen schrägen Fahndungsfoto-Look erzeugt hat, andererseits aber völlig klar als Montage zu erkennen war. Auf diesem Weg ist der Herstellungsprozess des Fotos Bestandteil desselben.

 

In der Weise ging es weiter, er fand, mutmaßlich zufällig, eine nachkolorierte Farbfotografie (!) von Sophia Loren, was ihn dazu inspirierte, ebenfalls Farbfotos erkennbar nachzukolorieren, aber im Gegensatz zu Lorens Bild eben auf den ersten Blick erkennbar. Er hat eine Reihe von Farbfotos angefertigt (vermutlich ein erworbenes Konvolut, die Herkunft bleibt mir bislang verborgen), die neben ziemlich abstrusen “Make-Ups“ aus Eiweißlasur-Retuschefarben einen Rahmen und eine beschreibende Textzeile darstellen. Auch hier ist wieder ganz klar die Montagearbeit zu erkennen – zentrales Thema ist die Wirkung der Fotografie auf unser Bewusstsein. Dass die Werke bei aller Konzeptlastigkeit auch in weiten Teilen äußerst ästhetisch daherkommen, soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden.

 

In der Idee blieb er sich treu, wenn er zum Beispiel Stadtansichten von Düsseldorf durch ein Nachtsichtgerät (inspiriert vom Golfkrieg in den Neunziger Jahren) fotografiert und dergleichen mehr. Thomas Ruff hat sich zumindest in Teilen vom Gebrauch der (eigenen) Fotografie dem Material fremder Quellen hingewandt. So sind es heute digitale Fotogramme (Superrechner Juropa), Pornofotos aus dem Internet (“Nudes“), NASA-Fotos vom Mars (“Stellar Landscapes“) chinesischen Propagandabildern der Sechziger Jahre (“Tableaux chinois“) ziemlich alte Papiernegative aus Großbritannien von Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Sie alle eint, dass die Montage subtil aber doch unmissverständlich Teil des Bildes ist – konsequent seit dem Studium reift diese Art, Bilder zu kreieren. À propos Studium, der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass Thomas Ruff die ehemalige "Becher"-Klasse von 2000 - 2006 geleitet hat.

 

Wir PhotohavenerIn können verschiedene Schlüsse daraus ziehen. Auf die eine Weise kann es spannend sein, sich auf eine völlig neu gedachte Art mit dem Medium der Fotografie auseinanderzusetzen, wir können ähnliche Schritte gehen, um herauszufinden, inwieweit eine Arbeitsweise mit Fotografie “am Rande“ zu uns passt. Das Werkzeug ganz anders einsetzen. Das Thema mit der Wirkung auf das Bewusstsein, diese philosophische Dimension kann man sicherlich auch ins Spiel bringen. Auf jeden Fall weicht eine solche Art fotografischer Arbeit arg von gängigen Darstellungen im Amateurbereich ab. Was auf der Hand liegt, Thomas Ruff hat schon früh mit Galeristen gearbeitet und konnte unter diesen Voraussetzungen sicherlich grundlegend anders arbeiten als AmateurInnen. Das aber muss kein Grund sein, es nicht zu versuchen…

 

 

 

Quellen für dieses Essay sind:

 

https://www.youtube.com/watch?v=toiEPVZ_584

 

https://www.youtube.com/watch?v=SlJlJHKBj8A

 

https://www.youtube.com/watch?v=7KN9ecRE-tM

 

https://www.youtube.com/watch?v=b-76gkKvFjQ

 

https://www.report-d.de/Kultur/Kunstkritik/K20-Duesseldorf-Thomas-Ruff-und-die-geklauten-Fotografien-134801

 

 

 

/ab

 

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